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Die Stille und der Lärm

Aktualisiert: 3. Apr. 2022




Seit einiger Zeit ist in meinem Kopf so viel Krach und gleichzeitig eine unerträgliche Stille, welche ich wünschte vertreiben zu können.


Ich sehne mich nach Geborgenheit, Ruhe, einem Zuhause und gleichzeitig bin ich getrieben von der Angst vor Stagnation, dem Flüstern schwerer Gefühle und der endlosen Lust auf Abendteuer.


Und ich vertreibe diese Stille.

Ich fülle sie akribisch mit Social Media, Gesprächen, Podcasts, Sport, Reisen, Uni, Arbeit, mit allem was meinen Kopf füllt, um nicht konfrontiert zu werden mit dem, was ich vermeide, bis ich erschöpft in traumlosen Schlaf falle und vergesse, warum ich glaube, die Stille füllen zu müssen. Und an anderen Tagen wird mir der Krach zu viel. An diesen Tagen fühle ich mich, als schnürten mir der Lärm und die Belastung die Luft ab. Meine Gedanken laufen heiß. Die unzähligen Bilder schmerzen in meinen Augen und ich flüchte mich in die Sicherheit von Einsamkeit.


Zerrissen zwischen Lärm und Stille, Abenteuer und Einsamkeit wandere ich ziellos umher; fühle mich an manchen Tagen, als könnte ich die Welt erobern und an anderen, als wäre ich die größte Versagerin der Welt;

fühle mich an manchen Tagen fröhlich und frei und an anderen schwer und verloren;

sehe mich manchmal an und spüre Liebe für mich und die Welt und schäme mich Stunden später dafür, wie ich aussehe und wer ich bin.

An manchen Tagen liebe ich es, meine Gedanken im Internet zu teilen, zu denken, dass sich jemand weniger einsam dadurch fühlt, und im nächsten Moment verfluche die Oberflächlichkeit, Belanglosigkeit und den ewigen Druck der Plattformen.


Wer bin ich?, frage ich mich dann.

Was mach' ich hier?


Ich bin verloren in der Endlosigkeit des Davonlaufens;

Davonlaufen vor meiner Stille und dem Lärm.

Davonlaufen vor Intimität, Versagen, Langeweile und Raum für Wahrheit. Davonlaufen kann ich gut.

Davonlaufen hält schlimme Gefühle fern, hab' ich mal gehört.

Ja. Hab’ ich gehört.

Ich weiß, dass davonlaufen nicht wirklich schlimme Gefühle fernhält.

Vor Gefühlen kann man nicht weglaufen. Ich habe es ausprobiert.

Irgendwie will ich auch nicht mehr davonlaufen.

Irgendwie möchte ich meine Gefühle nicht mehr im Bildschirm ersticken und aus meinem Koffer werfen.

Irgendwie möchte ich eines Tages zurückblicken auf mein Leben und wissen, dass ich mutig genug war, mich dem Leben und meinen Gefühlen wirklich zu stellen, hinab zu springen in die Tiefen meiner Ängste und Vertrauen zu finden, dass ich nicht sterbe, wenn ich falle.


Ich möchte mein Leben gelebt haben und meine Gefühle erlebt haben,

auch in Zeiten, wenn wir wortwörtlich auf unsere Zimmer geschickt wurden, und ich möchte die Stille ertragen können, vielleicht sogar irgendwann genießen. Die Melodie im Lärm wahrnehmen können.

Die Stille und den Lärm.

Die Stille tiefen Schmerzes und wahrer Liebe und den Lärm lauter Freundschaft.



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